Von Prof. Dr. Johannes Dieberger
In diesem Teil des geschichtlichen Rückblicks auf die Entstehung und den Werdegang des St. Hubertus zeigt uns der Autor die Veränderungen der Gesellschaft zur Jagd, deren Auswüchse und die der damaligen Zeit gemäßen Einstellungen und Auffassungen auf.
Sportlicher Hintergrund
Vor hundert Jahren bevorzugten die vermögenden neuen Jagdherren mehr den sportlichen Aspekt des Weidwerks. Das erbeutete Wildbret wurde noch im 19. Jahrhundert vorwiegend im eigenen Haushalt verwertet und dem Personal überlassen. Es war auch üblich, das Wildfleisch als Präsent bekannter Persönlichkeiten zu überreichen oder an Arme zu verteilen. Der Verkauf galt damal als "nicht fair" und wurde daher vermieden. Aber 1912 bemängelte Karl Berger im Heft 3 des St. Hubertus, dass seit einigen Jahren nunmehr sowohl aus bäuerlichen als auch aus herrschaftlichen Revieren "einzeln- dutzend- und hundertweise Wildstücke zum Abschuss vergeben werden, wagen- und waggonweise kommen sie zum Fleischer bzw. zum Wildbrethändler."
Berger spricht daher von "Jagdkrämern und Schacherern mit Idealen". Ein Gewinn konnte zu dieser Zeit aus einen pfleglich bewirtschafteten Revier nicht erziehlt werden. Die Ausgaben für Pacht, Wildschutz, Wildfütterung und Wildschäden ließen mitunter den Wunsch aufkommen, wenigstens einen Teil der Kosten durch Einnahmen auszugleichen. Berger spricht sich dafür aus, das Wildbret wieder in der eigenen Familie zu komsumieren oder den Angestellten zu überlassen. Nur ein darüber hinaus gehender Überschuss sollte an Wildbrethändler weitergegeben werden.
Die Jagd wurde von den vermögenden Jägern nicht mehr sehr effizient oder wirtschaftlich betrieben, denn das Vergnügen und das Erleben standen im Vordergrund. Die Bemühungen gingen nunmehr in Richtung Wahlabschuss, man wollte den Wildbestand "verbessern" und die schlecht veranlagten Stücke vorzeitig aus dem Bestand entnehmen. Darüber hinaus wurden Fütterungen im Hinblick auf höhere Wildbestände eingesetzt. Als Weiser für die Erfolge der "Wildzucht" in freier Wildbahn sollten beim Schalenwild die Trophäen dienen.
Verpönte Jagdmethoden
Man meinte damals, die geeignete und waidgerechte Methode für den Wahlabschuss wäre die Pirsch. Ferdinand von Raesfeld warnte schon damals dieser "Krone des Weidwerks" in kleineren und mittelgroßen Revieren, weil er die Steigerung des Jagddrucks vorhersah. Aber die neuen Jagdherrn legten auf Effizienz weniger Wert und erlegten das Schalenwild auf der Pirsch und am Anstand, weniger am Ansitz, denn bis zur Jahrhundertwende waren Ansitzeinrichtungen verpönt. Bestenfalls trug man für den Ansitz an geeigneter Stelle ein paar Steine zusammen und deckte diese mit der Jagdtasche ab. Mit ein paar abgeschnittenen Zweigen konnte man sich eine bessere Deckung verschaffen.
(Bild rechts: Josef Anton Strassgschwandtner, Anstand auf Sauen an der Suhlung (ca. 1860)
Oskar von Riesenthal meinte 1880: "Sollte gar kein anderes Deckungsmittel vorhanden sein, so muss sich der Jäger eingraben, den Bodenauswurf als Wall vor sich aufwerfen und mit Reisern zu verdecken suchen, dies ist der beliebt Schlupfwinkel beutegieriger Bauern und Consorten." An anderer Stelle erwähnt Riesenthal erstmals "sogenannte Hochstände und Kanzeln, die man auf starken Randbäumen anbringt oder neu aufbaut". Aber er stellt auch gleich fest: "Kunstbauten hasst der Hirsch".
Oberländer ( = der preussische Forstmeister Carl Rehfuß) schreibt 1900, das er sich mit Hochständen oder Kanzeln nicht anfreunden kann, "weil diese an günstig gelegenen Waldwiesen errrichtet werden, in der Absicht, auf bequeme Manier abzuschießen, was überhaupt abgeschossen werden soll". Er empfiehlt, mit dem Standhauer in einer buschigen Hecke eine Nische auszuhauen und mit dem Jagdstuhl anzusitzen. "Der Hauptvorzug des Ansitzes ist aber, dass es hier am besten gelingt, alte, überschlaue Böcke, die allen Birschkünsten spotten, zu überlisten ... Überhaupt hat der Ansitz nur den Reiz, wenn er einem bestimmten, besonders kapilaten Bock oder Hirsch gilt, der zuvor ausgemacht worden ist." Dagegen erachtet F.C. Keller in seinem ebenfalls 1900 erschienen Buch "Der waidgrechte Jäger Österreichs" Hochsitze und Kanzeln schon als zweckmäßige Jagdeinrichtungen.
Gravierende Veränderungen
Die Kultivierung der Landschaft wurde ab den 80er Jahres des 19. Jahrhunderts intensiviert, mit ersten Kommassierungen und Meliotationen begann man schon damals zugunsten der Landwirtschaft und gegen die Interessen des Wildes den Lebensraum auszuräumen und zu monotonisieren. Nur wenige Wildarten konnten von diesen Maßnahmen profitieren, wie zum Beispiel. die Großtrappe, die damls sogar in manchen Bereichen sogar zum landwirtschaftlichen Schädling wurde, den man mit Hilfe von Schulkindern von den Feldern scheuchte. (Fortsetzung folgt)
Erstabdruck: St. Hubertus, 3/2002, S. 17ff.