Von Wildmeister Dieter Bertram
Die Legende von Hubertus hat sich bis heute nicht geändert. Dringen die Hubertus-Messen und ihre Festansprachen noch in die Regierung?
Während in Nationalparken dem Borkenkäfer tausende Hektar Wald geopfert werden? Während die Partei der Grünen sich für einen besonderen Schutz von wilden Hunden und Katzen einsetzt, scheint es sich bei unserem Schalenwild um besonders geringwertige Tiere zu handeln, die nicht einmal den Mindestschutz des Gesetzes verdienen: Jagdverbot in der Setz- und Aufzuchtzeit.
Die Staatsforstverwaltungen – doch nicht nur sie – laden im Frühsommer zu Jagdvergnügungswochenenden ein, bei denen führende Tiere der gesamten Schalenwildpalette mit prallem Gesäuge auf der Strecke liegen. Ausnahmefälle? Die Kühlhäuser und die zur Verschwiegenheit verpflichteten Schweißhundführer könnten Auskunft geben. Die Jagd mit künstlichen Lichtquellen, mit Lockstoffen, nach denen ganze Wiesentäler riechen, Lockinstrumente für Frischlinge, bei denen die Bache abhandengekommen ist – was sonst noch an jagdlichen Feinheiten ersonnen wird.
„Die Würde des Tieres ist antastbar“, schreibt der bekannte Forstmann und Schweißhundführer Seeben Arjes. Zügellose Hetzjagden, wie sie durch die Medien angeprangert werden, verzerren das Bild aller Jäger gleichermaßen. Die Angebote zur Tötung in Kleingattern unter dem Motto: „Im Obsthof ist noch ein Damhirsch frei.“ – Nachdenklichkeit zum Hubertustag und Distanz zu tierschutzwidrigen Jagdmethoden sind geboten, selbst auf die Gefahr hin, dass wir uns auseinanderdividieren, weil wir nicht gemeinsam in einem Boot sitzen wollen, das von Schießern leckgeschlagen wird. Nicht der ist Nestbeschmutzer, der Auswüchse gegen Tierschutz und Waidgerechtigkeit anspricht, sondern der, der sie verursacht.
Auf der Suche nach der jagdlichen Moral müssen wir wieder zu unserer eigenen Jägergeneration finden. Erst Heger, dann Jäger. Wenn wir uns wieder nach dieser Philosophie richten, werden wir besonders am Hubertustag vor uns selbst und vor unseren Mitmenschen bestehen können.
Die Jagd ist ein großes Geschenk. Sie ist mit Ehrfurcht und Achtung gegenüber den Schutzbefohlenen verbunden. Es ist nicht erforderlich, die Mehrheit der Jäger hinter sich zu wissen – niemals wird eine Mehrheit die Elite ausmachen. Doch die Richtung, die der Anstoß gibt, soll von ihr bestimmt werden.
Genießen wir den Hubertustag im Kreis von Jagdfreunden oder auch allein mit dem Hund in der Natur. In stillen Revieren und alten Jagdhütten können wir auch heute noch auf Spurensuche gehen – dem Geist von Hubertus, Friedrich von Gagern oder der Feinsinnigkeit eines Hans Krieg, ehemaliger Präsident des Deutschen Naturschutzrings, begegnen.
In dem Konfliktfeld, in dem sich die Jagd befindet, hat das Zitat von Friedrich von Gagern mehr denn je Gültigkeit:
„Jäger spielen zu wollen, ist leicht. Wirklicher Jäger zu werden, ist schwieriger. Jäger zu sein, ist schwer. Zwischen all dem Widerspruch und Widerstreit Jäger zu bleiben, aber mitunter das Schwerste von allem.“