Von Volker Seifert

Die Figur des Iwan von Böhmen gehört zu jenen weitgehend im Dunkel der Überlieferung liegenden Heiligengestalten, deren historische Konturen schwer zu fassen, deren kulturgeschichtliche Bedeutung jedoch umso bemerkenswerter ist. Als regionaler Heiliger, der vor allem in den böhmisch-mährischen Grenzlandschaften vom späten Mittelalter bis in die frühe Neuzeit verehrt wurde, ist Iwan eng mit dem Komplex von asketischem Eremitentum, Waldleben und jagdnaher Frömmigkeit verbunden – ein Typus, der sich im slawischen Raum in ähnlicher Form auch bei Heiligen wie Iwan Rilski (Bulgarien) findet, jedoch in Böhmen eine eigenständige Prägung erfuhr.

Svatý Ivan Svatý Jan pod SkalouDie wenigen überlieferten Legenden über Iwan von Böhmen, auch Johannes von Böhmen genannt, schildern ihn als Einsiedler adliger Herkunft, der sich im 9. Jahrhundert in die Wälder nördlich von Příbram zurückgezogen habe. Dort soll er in einer Höhle gelebt, sich von Wurzeln, Beeren und der Milch einer Hirschkuh ernährt und in tiefer Gottverbundenheit ein Leben der Buße geführt haben. Nach ihm wurde später ein dort 1033 gegründetes Benediktinerkloster benannt, heute bekannt als „Kloster des Heiligen Johannes unter dem Felsen“ (sv. Jan pod Skalou).

Iwan galt regional als Schutzpatron der Jäger und Waldarbeiter, später auch der Förster. Besonders im 16. und 17. Jahrhundert lassen sich in lokalen Prozessionen und in der Ausstattung kleiner Kapellen Hinweise auf einen Kult um „den heiligen Iwan“ nachweisen. Ikonographisch wurde er häufig mit einem mit einer Hirschkuh dargestellt.

Bemerkenswert ist die Verbindung von asketischer Heiligkeit und jagdlicher Symbolik: Iwan steht nicht für die höfische Repräsentationsjagd, sondern für die spirituelle Durchdringung des Naturraums. In den Erzählungen erscheint der Wald als heiliger Ort der Wandlung, der Jagdakt als Grenzerfahrung zwischen Leben und Tod, zwischen Mensch und Tier, zwischen Sünde und Gnade.

In der volksreligiösen Praxis wurde Iwan besonders in Zeiten von Missernten, Waldbränden oder Wildseuchen angerufen. Auch bei der Einweihung neuer Jagdreviere oder Waldkapellen war seine Anrufung gebräuchlich, wobei bestimmte Flur- und Quellnamen („Iwanova studánka“) bis heute auf seinen Kult verweisen.

Mit der kirchlichen Zentralisierung und der Aufklärung verlor der Iwan-Kult an Bedeutung. Heute lebt seine Figur vor allem in der Volkskunde und in wenigen restaurierten Flurheiligtümern fort – als Zeugnis eines spezifisch mitteleuropäischen Heiligenbildes, das Wald, Wild und Spiritualität in einer Weise verknüpft, die die Jagd zugleich als existentielle Praxis und spirituelles Symbol begreift.

Sein Gedenktag ist der 24. Juni.