Von Volker Seifert

Der Speierling (Sorbus domestica L.) zählt zu den seltensten einheimischen Baumarten Mitteleuropas. Als wärmeliebende Baumart mit hoher ökologischer und ökonomischer Wertigkeit ist er im forstlichen Kontext in Vergessenheit geraten – zu Unrecht. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die Merkmale, Nutzungsmöglichkeiten und Ursachen für seine heutige Seltenheit und wirbt für eine stärkere Berücksichtigung des Speierlings in der Waldbewirtschaftung.


Beschreibung und Standortansprüche

sorbus domestica wuchs ebersberg 1100Der Speierling ist ein stattlicher Laubbaum, der Wuchshöhen von bis zu 25 Metern erreichen kann. Er gehört zur Familie der Rosengewächse (Rosaceae) und ist eng mit der Eberesche und der Elsbeere verwandt. Charakteristisch sind seine unpaarig gefiederten Blätter, seine weißlichen Blüten in Schirmrispen und die birnen- bis apfelförmigen Früchte, die im Spätsommer heranreifen.

Der Speierling bevorzugt warme, sonnige Lagen mit tiefgründigen, nährstoffreichen Böden. Besonders häufig war er früher in den klimatisch begünstigten Regionen Südwestdeutschlands, des Mittelrheingebiets und Frankens zu finden. Trockenperioden meistert er vergleichsweise gut, was ihn mit Blick auf den Klimawandel interessant macht (Hofmann et al. 2012).


Nutzung und Bedeutung

sorbus domestica bluete007 1100Das Holz des Speierlings zählt zu den wertvollsten heimischen Hölzern. Es ist hart, schwer, gut polierbar und wegen seiner feinen Struktur in der Furnier-, Möbel- und Instrumentenbauindustrie sehr gefragt. Historisch wurde es zudem für Präzisionswerkzeuge, etwa Maßstäbe oder Zahnräder, verwendet (Müller-Starck et al. 2009).

Auch die Früchte des Speierlings finden Nutzung – wenn auch heute nur noch selten. Sie sind roh ungenießbar, doch nach dem sogenannten „Anwelken“ oder Kochen eignen sie sich zur Herstellung von Most, Marmelade oder als Beimischung zu Apfelwein. Im traditionellen Streuobstanbau wurden sie deshalb früher gezielt gepflanzt (BUND Lemgo 2020).

Darüber hinaus hat der Speierling einen hohen ökologischen Wert: Seine Blüten bieten Insekten Nahrung, die Früchte dienen Vögeln und Säugetieren als Futterquelle. Als Einzelbaum in lichten Wäldern oder Waldrändern trägt er zur Biodiversität bei (Bartsch et al. 2016).


Ursachen der Seltenheit

Trotz seiner Vorzüge ist der Speierling heute extrem selten. Die Ursachen dafür sind vielfältig:

  • Forstwirtschaftliche Vernachlässigung: Wegen seines langsamen Wachstums, der schlechten Verjüngung und der schwierigen Kulturführung wurde der Speierling aus der forstlichen Nutzung weitgehend verdrängt.

  • Verlust traditioneller Anbausysteme: Die Aufgabe des Streuobstanbaus, in dem der Speierling eine Nische hatte, hat seine Verbreitung stark reduziert.

  • Niedrige Regenerationsrate: Der Speierling ist lichtbedürftig, benötigt jedoch Schutz vor Wildverbiss – seine natürliche Verjüngung scheitert oft an unzureichenden Standortbedingungen oder überhöhten Wildbeständen (LWF Bayern 2010).

  • Unkenntnis: Vielen Waldbesitzenden und Forstleuten ist der Speierling kaum noch bekannt, wodurch er bei der Baumartenwahl nicht berücksichtigt wird.

Bedeutung für Bienen:

1. Nektar- und Pollenlieferant

  • Blühzeit: Der Speierling blüht meist im Mai bis Anfang Juni, also nach der Hauptblüte von Obstbäumen, aber vor vielen Sommerblühern.

  • Blüten: Die zahlreichen weißen, duftenden Blüten stehen in dichten, auffälligen Schirmrispen und sind gut für Insekten zugänglich.

  • Pollen: Er liefert gelblichen Pollen von mittlerer Ergiebigkeit.

  • Nektarwert: Mittel – die Blüten bieten zwar keinen hohen Zuckergehalt, aber durch die Vielzahl der Blüten ist die Gesamtmenge für Bienen attraktiv.

In der Bienenliteratur wird der Speierling meist mit einem Nektarwert von 2 und Pollenwert von 2 auf einer Skala von 0–4 bewertet (z. B. laut "Trachtpflanzen und ihre Bedeutung" von Pritsch, 2008).

2. Ökologische Funktion

  • Der Speierling bietet insbesondere Wildbienen und Hummeln eine wertvolle Nahrungsquelle in einer Zeit, in der andere Trachtquellen bereits verblüht sind oder noch fehlen.

  • Durch seine oft solitäre oder gruppenweise Pflanzung an Waldrändern oder in Streuobstwiesen stellt er ein wichtiges Glied in der kontinuierlichen Trachtfolge dar.

  • Auch Schmetterlinge und Käfer besuchen seine Blüten.


Fazit und Ausblick

Angesichts des zunehmenden Interesses an klimatoleranten und biodiversitätsfördernden Baumarten rückt der Speierling wieder ins Blickfeld forstlicher Überlegungen. Seine Trockenresistenz, das wertvolle Holz und seine Bedeutung für Flora und Fauna machen ihn zu einem potenziellen Kandidaten für naturnahe Mischwälder der Zukunft.

Gezielte Förderung durch Pflanzung, Schutz vor Wildverbiss sowie Öffentlichkeitsarbeit könnten helfen, diese traditionsreiche und zukunftsfähige Baumart wieder stärker in der Kulturlandschaft zu verankern.

Der Speierling ist kein Haupttrachtbaum, aber ein ergänzender, wichtiger Bestandteil naturnaher Bienenweiden, insbesondere in strukturreichen Landschaften. Aufgrund seiner Blütezeit, Blühfreude und ökologischen Nischenfunktion sollte er bei der Gestaltung von insektenfreundlichen Waldrändern, Streuobstflächen und Mischwäldern stärker berücksichtigt werden.


Literatur und Quellen

  • Bartsch, N., Röhle, H., & Spellmann, H. (2016). Seltene Baumarten im Klimawandel – Herausforderungen für Forstwirtschaft und Naturschutz. AFZ-DerWald, 71(1), 12–15.

  • BUND Lemgo (2020). Der Speierling – alte Kulturpflanze und bedrohte Baumart. Online: https://www.bund-lemgo.de

  • Hofmann, G., Spellmann, H., & Falk, W. (2012). Klimarisiko und Anpassungsstrategien für Baumarten. LWF Wissen Nr. 70, Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft.

  • LWF Bayern (2010). Förderung seltener Baumarten: Der Speierling in Bayern. Merkblatt der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft.

  • Müller-Starck, G., Schirmer, J., & Svolba, M. (2009). Sorbus domestica – Genetische Ressourcen und Erhaltungsstrategien. Berichte der Bundesanstalt für Forstwirtschaft, Wien.

  • Pritsch, G. (2008): Trachtpflanzen – Nektar und Pollen – Bienenweide in Mitteleuropa. Ehrenwirth Verlag, München.