Von Volker Seifert
In der reichen Tradition jagdlicher Kulturgeschichte begegnen uns immer wieder Gestalten, deren Lebenswege Glaube, Naturverbundenheit und Verantwortungsbewusstsein vereinen. Eine davon ist Germanus von Auxerre (ca. 378–448), ein Bischof, der nicht nur durch seinen missionarischen Eifer und seine Bildung hervorstach, sondern auch als Jäger von edlem Gepräge galt – fest verwurzelt in der spätantiken Lebenswelt des gallorömischen Adels.
Adel, Ausbildung – und der Wald
Geboren in Auxerre in eine wohlhabende Familie, erhielt Germanus eine umfassende Ausbildung in Rhetorik und Recht. Er war zunächst als hoher Verwaltungsbeamter (Dux) tätig – und führte ein Leben, das standesgemäß von Jagd, Landbesitz und römischer Noblesse geprägt war. Die Jagd war in jener Zeit nicht nur Zeitvertreib, sondern Ausdruck von Disziplin, Herrschaft und Weltverständnis – ein Bereich, in dem sich Charakter und Maß bewährten.
Germanus lebte dieses Ideal: Überliefert ist, dass er sich der parforceartigen Jagd auf Wild verschrieben hatte, mit einem Hauch römischer Grandezza. Doch mit zunehmender Reife wuchs in ihm ein religiöses Empfinden, das ihn vom weltlichen zum geistlichen Leben führte.
Vom Jäger zum Bischof – und doch Naturfreund
Im Jahr 418 wurde Germanus gegen seinen Willen zum Bischof von Auxerre ernannt. Seine Wandlung war bemerkenswert: Er verzichtete auf äußeren Prunk, verschenkte seinen Besitz, und wandte sich den Menschen und dem einfachen Leben zu. Doch auch als Bischof blieb er dem Land, dem Wald und der Ordnung der Schöpfung verbunden. Sein asketisches Leben war geprägt vom Rückzug in die Natur, in der er Einkehr und Gottesnähe fand – eine Haltung, die viele Jäger bis heute nachvollziehen können.
Seine Vita erzählt von Wunderheilungen, Missionen gegen häretische Bewegungen in Britannien, aber auch von tiefer Demut und einem Sinn für Maß und Gerechtigkeit – Tugenden, die auch in der Waidgerechtigkeit des Jägers ihren Widerhall finden.
Abb. rechts: Holzstatue des hl. Germanus in der Kirche St-Germain-l’Auxerrois in Paris
Jagdethos und Heiligenkult
Germanus starb um 448 in Ravenna, doch sein Grab in Auxerre wurde bald zum Wallfahrtsort. Im Mittelalter verehrte man ihn auch als Schutzpatron gegen Unwetter und Krankheiten. In manchen Regionen Frankreichs und Englands galt er gar als Fürbitter für Jäger, vermutlich aufgrund seiner adeligen Herkunft und der Verbindung von Macht, Natur und Frömmigkeit.
Mittelalterliche Darstellungen des hl. Germanus von Auxerre sind äußerst selten. Verbreiteter sind neuzeitliche Darstellungen als Bischof; zu seinen Attributen zählen dann die Mitra, der Krummstab und manchmal ein Drache. Da er ein leidenschaftlicher Jäger gewesen sein soll, wird er in seltenen Fällen in Jagdkleidung dargestellt; zu seinen Füßen liegt dann erlegtes Wild.
Sein Leben steht exemplarisch für ein Ethos, das in der Jagdkultur stets hochgehalten wird: Verantwortung gegenüber dem Leben, Sinn für Ordnung, das rechte Maß – und die Bereitschaft, dem eigenen Weg treu zu bleiben, selbst wenn er sich wandelt.
Der Gedenktag des heiligen Germanus bei den Katholiken ist der 31. Juli, sein Todestag, bei den orthodoxen Christen der 23. April.
Germanus von Auxerre erinnert uns daran, dass die Jagd mehr ist als Technik oder Tradition: Sie ist ein Ausdruck innerer Haltung – damals wie heute.