Von Gert G. v. Harling

In seinem Buch „Kraut und Lot“ schrieb Hermann Löns bereits 1922 über die Bockjagd: „Na, und wenn einer auch noch so grau war wie ein Milchwagenesel, schad‘t nichts, ist alles einerlei, man jug ja um die Decke nicht, man jug ja um das Geweih! Denn man war kein Fleischmacher, kein Wildbretschütz, man war Waidmann, gerechter Waidmann, sah verächtlich auf den Bratenjäger und kam sich als Wunder wie weiß was vor, trug man im Rucksack ein braves Gehörn heim, an dem so nebenbei 20 oder 24 Pfund Wildbret herumbaumelten.“

Bereits der Heidedichter hatte sich zwei Arten von Jägern aufs „Ärger-Korn“ genommen: Den „Fleischjäger“ und den „Trophäenjäger“, war aber in erster Linie Trophäenjäger.

Beweggründe, Fleischjäger zu sein, kann ich entwicklungsgeschichtlich nachvollziehen, denn am Anfang der Jagd stand der Hunger. Auch wenn sich die Jagd aus dem bloßen Fleischerwerb zu einer hohen Kunst mit eigener Geisteshaltung entwickelt hat, kann man ihren Grundstein, der passender Weise in der Steinzeit gelegt wurde, nicht leugnen. Es musste schließlich gejagt werden, um die hungrigen Mägen der Sippe zu füllen, um zu überleben. Ob jedoch alles, was in der Steinzeit angelegt wurde, so seinen Fortbestand haben muss, bezweifele ich. Ich glaube, dass sich die Menschheit fortentwickelt.

Schießt der Fleischjäger das erste beste Tier, das ihm über den Weg läuft, oder in möglichst kurzer Zeit und ohne großen Einsatz möglichst viele Tiere, um viel Fleisch „zu machen“, so erlegt der Trophäenjäger nur das eine ganz bestimmte Stück, auf das sich seine Ambition versteift hat. Für kein anderes hat er Augen und Ohren. Für den Trophäenjäger zählt in erster Linie dieses eine besondere und auserwählte Tier. Dabei ist er selbstverständlich auch Fleischjäger, denn Trophäenjagd ist natürlich auch Fleischjagd, nur kultivierter und unter (selbst auferlegten) erschwerten Bedingungen.

Dass an einer Trophäe einmal „Fleisch gehangen“ hat, dass wegen eines toten Knochens ein Leben ausgelöscht wurde, ist in dem Augenblick zweitrangig. So betrachtet, hat er den weitesten Sprung seit der Steinzeit gemacht, weil der Urzweck der Jagd, den Hunger zu stillen, bei ihm, keine Rolle mehr spielt.

Aber die Fortentwicklung ist nicht Selbstzweck. Die Frage nach dem „Wohin“ darf gestellt werden. Und die Antwort lautet: in die falsche Richtung.

Nach meiner Philosophie ist nur der Jäger, der die Jagd mit den Augen eines passionierten Naturliebhabers und Tierfreundes in ihrer Gesamtheit, erst in zweiter Linie als Feinschmecker durch das eingeschränkte Blickfeld des Zielfernrohres sieht. Dazu zählt die Hege mit all ihren Schwierigkeiten und Opfern, ein guter Schuss und ein firmer Hund. Ein saftiger Braten und eine Trophäe zählen als Belohnung (für langjährige Hege) erst danach. Nur schnell ins Revier fahren, ein X beliebiges Leben auslöschen und dann zurück in die Küche, einen saftigen Braten zubereiten, um seine feinschmeckerischen Gelüste auszuleben, mag legitim sein, entspricht aber nicht meiner Auffassung von jagdlicher Moral.

Einen Hirschrücken kann man ebenso beim Wildhändler erstehen, Geweihe sind wie Orden: Man kauft sie nicht – man muss sie sich erarbeiten, verdienen.

Ein besonders heimliches oder wegen seiner Trophäe begehrenswertes Stück Wild mit hartem körperlichem Einsatz, zeitlichen Opfern und anderen Entsagung zu verfolgen, tagelang, wochenlang, monatelang, viele andere Tiere in dieser Zeit unbeschadet laufen zu lassen, bis man es schließlich überlistet, das unterscheidet den kultivierten, disziplinierten Trophäenjäger vom Fleischjäger.
 
Qualität statt Quantität

Ich bin kein Freund von Massenware, schätze individuelle Stücke. Ein erlesenes Produkt aus der Kunsthandlung ist mir willkommener als ein 08/15 Erzeugnis vom Fließband, eine stilvolle Antiquität lieber, als ein Stück aus dem modernen Supermarkt, alter Rotwein schmeckt mir aus einem ansprechenden Kristallglas besser als aus einem Pappbecher. Eine Seitenschlossflinte ziehe ich einer Pumpgun, einen klassischen Jagdhut einer Baseballmütze mit Reklameemblem vor.

Vielleicht spielt auch mit, dass ich lieber einem alten oder abnormen, heimlichen Hirsch als einem Spießer, lieber einem reifen oder überalterten Rehbock, als einem Jährling nachstelle, dessen Abschuss eh‘ keine große Herausforderung bedeutet. Kurz, ich gehöre zu den heute verpönten Trophäenjägern, allerdings unterscheidet mich von vielen von ihnen, zumindest von der germanischen Spezies, dass ich aus meiner Passion keinen Hehl mache. Ich lege mir bei der Jagd ein Handikap auf, das erste, beste Stück, das meinen Weg kreuzt zu schießen, wäre mir zu einfach.