Von Gert G. von Harling
Allzeit guten Anblick hatte mal eine andere Bedeutung
Ein Fortschritt in der Zivilisation, ein Rückschritt in der Kultur
In Deutschland sind Schießen und technische Aufrüstung angesagt. Das „Hobby Waidwerk“ hat einen Hochstand an Technik und einen Tiefstand an Niveau erreicht. Statt mit Herz und Seele, mit persönlichem Einsatz zu jagen, wird mitunter über ausgeklügeltere Techniken diskutiert, um die repräsentative Trophäensammlung zu vergrößern, um nach gesellschaftlicher Anerkennung zu heischen oder um Schädlinge auszumerzen. Das „Grüne Abitur“ entwickelt sich zum käuflichen Statussymbol. Ein Handy kann heutzutage fast Jeder bedienen.
Bei den Briten ist das noch anders. Eine englische Redensart besagt: „Man sollte nicht die Handikaps abschaffen, die den Sport ausmachen“, der Spanier y Gasset meint, der Jäger müsse mit einem Handikap antreten, dass er sich selber auferlegt, um sich dem Niveau des Tieres anzugleichen, und Dr. Florian Asche formulierte: „Auf der Strecke bleibt die Freiheit der Jagd, die erst durch den Verzicht zu ihrer Entfaltung kommt“.
Besseres (oder schlechteres) Ansprechen oder sichereres Treffen sind keine stichhaltigen Argumente, um mit immer perfektionierteren Schusswaffen und optischen Hilfsmitteln zu jagen, denn es darf, mit oder ohne Technik, nur geschossen werden, wenn man sicher angesprochen hat, sicherer Kugelfang vorhanden ist, sicher trifft und sicher ist, den Anschuss zu finden. Diese (Selbst-) Disziplin darf nicht diskutiert werden. Der Grundsatz: „Was du nicht kennst, das schieß‘ nicht tot!“ gilt aber nicht mehr für alle aus der grünen Gilde.
Ein Bogenschütze, der sich bis auf wenige Gänge an sein Wild heranschleicht, um es zu erlegen, verdient als „Jäger“ mehr Respekt als derjenige, der sich rühmt, bei Dunkelheit - den Begriff „Büchsenlicht“ kennen manche Jäger schon gar nicht mehr – durch ein Zielfernrohr, per Bluetooth mit einer App. verbunden, in der der eigene Stand Ort eingegeben ist, so dass Luftdruck und Wind für die Berechnung eingespielt werden, ein Stück Wild auf 200 Meter oder weiter getötet zu haben. Jäger und Kunstschützen sind unterschiedliche Spezies.
Moderne Optik kann Sicherheit in Sachen Waidgerechtigkeit bieten. Mit einer Wärmebildkamera kann man eine Rotte auf über einen Kilometer identifizieren, kann auch bei miserablen Lichtverhältnissen auf die Entfernung halbwegs sicher ansprechen, und der Jäger braucht sich nicht die Mühe zu machen, näher zu kriechen. Wärmebildvorsatzgeräte offenbaren zudem Frischlinge, wenn man durch ein hergebrachtes Doppelglas nur die Bache erkennt. Ein Überläuferkeiler ist an Widerrist, Pürzel und Quaste eher anzusprechen, und ein Hirsch der Jugendklasse kann auch bei Dunkelheit von einem mittelalten unterschieden werden. Durch Nachtsichttechnik können von unzulänglich geübten Jägern Rechtsverstöße zwar vermieden werden, doch der Wechsel von Sonne und Mond, von Hell und Dunkel ist eine Gegebenheit der Schöpfung, die besonders von uns Jägern zu respektieren ist. Ihn durch Technik gleichzusetzen, also die Nacht zum Tag zu machen, hat einen üblen Beigeschmack.
„Moderne“ Jäger geraten in Verlegenheit, wenn die Kraft der Batterien in ihrer hocheffizienten Optik bei schwindendem Licht nachlässt, um das Absehen zu beleuchten oder die Stromversorgung der externen Power Pack bzw. die Kombination aus Akku und Solarpanel schwächelt. Früher allgemein befürchtete „Rote Punkte“ bei der Trophäenbewertung als Rüge für falsche Abschüsse sind weitestgehend unbekannt.
Jagdliche Analphabeten gleichen fehlende Erfahrung mit allerlei technischen Errungenschaften aus und sind ohne moderne jagdliche Applikationen für ihr Handwerkszeug, ihr Gewehr, ihre Optik, ihr Mobiltelefon, im Revier hilflos. Die Regel unserer Vorfahren: „Die Nacht gehört dem Wild“ ist Vergangenheit. Erwartungsvoll hoffen dieselben Jäger, die sich über nächtliche Störungen durch Geocacher und Nachtwanderer mokieren, im Kreise Gleichgesinnter in der warmen Stube auf die Nachrichten von einem elektronischen Fallenmelder oder einer tagein, tagaus beobachtenden Fotofalle an einer, über ferngesteuerte Automaten beschickten Kirrung, um bei Funkalarm mit dem allradgetriebenen Geländewagen zur bequemen Kanzel zu eilen und in dunkler Nacht eine Sau zu liquidieren. Tunlichst noch mit Schalldämpfer, damit Wild in der nahen Umgebung möglichst nicht gestört wird und in derselben Nacht weitere Sauen „gewaidwerkt“ werden können.
„Waidgerechtigkeit“, „fair chase“ mutiert zu einem unbequemen Begriff, Zeitnot, Gier, Geld, Anerkennung sind Maßstab für den Erfolg einer Jagd geworden, zu Lasten alter Jagdmethoden und traditioneller Werte.