Von Prof. Dr. Johannes Dieberger

In diesem Teil des geschichtlichen Rückblicks auf die Entstehung und den Werdegang des St. Hubertus zeigt uns der Autor die Veränderungen der Gesellschaft zur Jagd, deren Auswüchse und die der damaligen Zeit gemäßen Einstellungen und Auffassungen auf.

Es zeigt sich nun eine ambivalente Einstellung zur wirtschaftlichen Seite der Jagd: Die Jagd wurde schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts von manchen Interessenvertretern, Natur- und Tierschützern sowie Politikern angefeindet und als entbehrlich bezeichnet. Insbesondere die intensivierte Landwirtschaft fühlte sich von Wildschäden sehr beeinträchtigt.

Über den Wert der Jagd

Man bemühte sich daher, in mehreren Publikationen und Studien, den wirtschaftlichen Vorteil des Jagdwesens herauszustreichen. Im Heft 7/1912 des St. Hubertus beschreibt Moritz Eltz, ein Mitglied der "Freien Vereinigung zum Schutz des Weidwerks", die Notwendigkeit der Jagd zur Erhaltung der Wildtiere im Interesse des Naturschutzes.

Darüber hinaus weist Eltz auf die wirtschaftlichen Vorteile des Jagdwesens hin. Ein Heer von Berufsjägern findet durch die Jagd Brot und gutes Auskommen und Gewerbe- und Industriebetriebe ziehen aus ihr direkt und indirekt erheblichen Nutzen (jagdliche Ausrüstung wie Waffen, Munition, Optik, Jagdbekleidung, Literatur, Jagdhunde, Fahrzeuge, jagdliche Einrichtungen u.a.m.). Darüberhinaus verschafft das Weidwerk der Landbevölkerung für Arbeitsleistungen ein zusätzliches Einkommen. Manchem Gebirgsbauern bringt die Verpachtung seines Jagdrechtes, mehr Einkommen als die Bewirtschaftung seiner Grundfläche. Eltz vermutet auch, dass durch reiche Ausländer, die bei uns Befriedigung ihrer Jagdlust suchen, bedeutende Geldsummen der der Volkswirtschaft zugefügt würden.

Nützliches Nebenprodukt

Den wichtigsten (oder vielleicht einzigen) wirtschaftlichen Gewinn aus dem Jagdwesen führt der Autor nicht an: das Wildbret, die Felle, Häute und andere Naturprodukte (z.B. Bibergeil, Murmelfett, beides wurde damals von den Apothekern gut bezahlt), die von den Jägern nachhaltig erbeutet werden!

Alles beim Alten

Die Argumentation vor hundert Jahren erinnert ein wenig an unsere heutige Situation: ein gesetzliches Verbot der Jagd, was auch heute fallweise angedacht wird, müsste den Staat wohl bankrott machen, wenn man versuchte, die bestehenden Jagdrechte finanziell abzulösen. Daher bemühen sich verschiedene Politiker der linken Reichshälfte, extremistische Natur- und Tierschutzorganisationen sowie Waffengegner, die Jagd zumindest einzuengen und zu beschränken.

Unsere Jagdfunktionäre argumentieren gegen diese Angriffe heute nicht viel anders als ihre Kollegen vor hundert Jahren: die Jagd sei notwendig und unverzichtbar, schon im Interesse der Land- und Fortwirtschaft! Auch müssen wir Jäger heute bei der Regulierung der Wildbestände das Raubwild erstezen, was wir früher mühevoll ausgerottet oder dezimiert haben. Wir Weidmänner erbeuten mit dem Wildbret hervorragende und gesunde Lebensmittel, aber die meisten unserer trophäenorientierten Jagdkollegen interessieren sich kaum für dieses köstliche Naturprodukt.

Unsere Vertreter weisen auf Tausende von Arbeitsplätzen und auf Millionenumsätze hin, die durch die Jagd gesichert würden. Alles das ist Etikettenschwindel! Wenn wir die sogenannten Hegebemühungen unterlassen, werden die Wildbestände auf ein Minimum zurückgehen. Wer glaubt ernstlich, das im Falle einer Abschaffung der Jagd, die dafür aufgewendeten Geldmittel im Sparstrumpf landen? Die bisherigen Jagdberechtigten würden nunmehr vielleicht Paragleiten, Segelfliegen mit dem Geländeauto die Restnatur belasten, klettern gehen,  der heimlichen Freundin Schmuck kaufen und für sonstige sinnvolle oder unsinnige Aktivitäten ihr Geld ausgeben. Auch damit würden sie Tausende Arbeitsplätze sichern und der Wirtschaft Millionenumsätze zuführen. Wir würden dann lediglich auf den Gewinn von Wildbret, fellen, Häuten und ähnlichen Naturprodukten verzichten müssen.

Hat die Jagd eine Daseinberechtigung?

Aus meiner Sicht war es daher vor hundert Jahren genauso abwegig wie heute, danauch zu fragen, warum wir jagen müssen. Die Frage müsste vielmehr lauten: Dürfen wir jagen? Da wir mit einer nachhaltigen Bejagung nur überschüssige Wildtiere aus einer Population entnehmen, die im Interesse von etwa gleichbleibenden Populationen ohne Jagd durch die Natur, auf eine andere Weise wegreduziert werden müssten, scheint es nicht sinnvoll, auf die Jagd zu verzichten. Das würden auch jagdfeindliche Politiker verstehen, wenn wir bereit wären, verschiedene Entartungen des heutigen Weidwerks (z.B. falsch verstandene Hege, Fütterung des Wildes, Wildproduktion und daher auch übermässigen Wahlabschuss, Bewertung von Trophäen, Bekämpfung unerwünschter Arten, Exotenansiedlung, Pirschjagd und andere Methoden die den Jagddruck steigern) aufzugeben. Dafür können wir uns wieder mehr um die Jagdkultur bemühen, von der in den letzten hundert Jahres einiges verloren gegangen ist. (Fortsetzung folgt)

Erstabdruck: St. Hubertus, 3/2002, S. 17ff.