Von Prof. Dr. Johannes Dieberger

In dieser neuen Serie wirft Univ.-Prof. Dr. Johannes Dieberger, BOKU Wien, einen geschichtlichen Rückblick auf die Entstehung und den Werdegang der ältesten Jagdzeitung Österreichs - St. Hubertus.

Bildschirmfoto vom 2024 01 14 12 16 21Messe ohne gleichen

Der Wunsch nach einer neuen, bürgerlichen Jagdzeitung erwachte in Karl Springer zweifellos anlässlich der "Ersten Internationalen Jagdausstellung", die 1910 in Wien stattfand. Diese war - genau genommen - die zweite Ausstellung dieser Art, denn 1881 gab es schon eine kleinere und weniger beachtete internationale Jagdausstellung in Cleve am Niederrhein. Die Veranstaltung in Wien, welche die Aufgabe hatte, die Bedeutung der Jagd aus volkswirtschaftlicher Sicht darzustellen und Verständnis und Sympathie für ihre kulturellen Werte zu vermitteln, war ein Ereignis, wie man dies davor und danach in der Hauptstadt der Monarchie nie gesehen hatte. Auch die zweite Internationale Jagdaustellung, 1937 in Berlin -, die versuchen wollte, die Welt von der vermeintlichen Vorrangstellung der Deutschen Jagd zu überzeugen, reichte bei weitem nicht an dem Umfang und der Qualität der Veranstaltung von 1910 heran.

(Bild rechts: Blick auf das Ausstellungegeländer der Ersten Internationalen Jagdaustellung 1910 in Wien. Zahlreiche massive Schlösser und Bauwerke wurden für die Dauer von 163 Tagen errichtet und nach der Ausstellung wieder entfernt.)

Bildschirmfoto vom 2024 01 14 14 53 21Die Ausstellung war tatsächlich international, denn in diesem Unternehmen waren alle Kronländer mit Ausnahme von Dalmatien (dort gab es noch die freie Jagd), die meisten europäischen und auch einige außereuropäische Staaten vertreten. Im Wiener Prater errichteten um die Rotunde herum teilnehmende Länder und auch Privatpersonen massive Jagdschlösser. Auch das Gelände wurde mittels gewaltiger Erdbewegungen landschaftlich mit Erhebungen, Teichen, Bepflanzungen u.a.m. gestaltet, wozu damals natürlich noch keine Maschinen zur Verfügung standen. Aber auch Gewerbe und Industrie nutzen die Gelegenheit ihre Produkte in diesem großen Rahmen und präsentieren und zu vermarkten.

(Bild rechts: Der originelle persische Pavillion auf der 1. Internationalen Jagdausstellung 1910 im Wiener Prater)

Die Ausstellung öffnete am 7. Mai für 163 Tage ihre Pforten. Es war die - mit 77 Regentagen - der niederschlagsreichste Sommer seit Menschengedenken. Trotz des großes Interesses der teilnehmenden Länder und Firmen rechnete man mit einem Defizit mit 815.000 Kronen. Aber 2.703.090 zahlende Gäste aus dem In- und Ausland, Subventionen und Platzmieten brachten Einnahmen von über 4 Millionen Kronen, sodaß letztlich ein Reinertragvon 684.871,50 Kronen übrig blieb.

Viele Neuerungen beim "Kongress"

Im Rahmen dieser Ausstellung fand auch der 2. Internationale Jagdkongress vom 4. bis 7. September 1910 statt. Ihm war 1907 in Paris der 1. Internationale Jagdkongress vorausgegangen, bei dem man sich bemühte, die europäischen Jagdgesetze ein wenig zu harmonisieren, was natürlich nicht gelang. In Wien diskutierten die Delegierten in drei Sektionen verschiedene Fachbereiche des Jagdwesens: Sektion I behandelte volkwirtschaftliche Bereiche der Jagd, Jagdstatistik und Literatur, Sektion II befasste sich mit der Jagdkunde und dem Jagdbetrieb, einschließlich Waffen, Munition und Schießwesen und die Sektion III widmete ihre Aufmerksamkeit dem Jagdrecht. Aus diesmal konnte kein "europäischer Standard" erreicht werden. Einige Delegierten bemühten sich, aus der Wilderei einen eigenen Tatbestand für das Strafrecht zu machen, jedoch sprach sich die vernünftige Mehrheit dafür aus, dass die illegale Form der Jagd weiterhin als Diebstahl zu werten sei.

Aber es gab auch einige nachhaltige Neuerungen. trotz der seit vielen Jahren eher "sportlichen" Orientierung der Jagd dachte man nun wieder vermehrt an die volkswirtschaftliche Bedeutung des Weidwerks. Der Begriff "Naturschutz" wurde hier von den Vertretern der Jagd erstmals verwendet, wenngleich man damals noch ganz andere Vorstellungen von diesem Fachbereich hatte. Und erstmals setzte man hier zur Bewertung zahlreicher ausgestellter Rotwildtrophäen die sogenannte Nadlerformel ein.

Zum 1. Teil

Erstabdruck: St. Hubertus, 2/2002, S. 26ff.