Von: Volker Seifert

Mensch ./. Natur
Wie oben bereits angesprochen widerstreiten sich nun zwei Positionen im Umgang mit der Natur. Dabei lasse ich theologische Motive unbeachtet, da diese mit metaphysischen Vorgaben versehen sind, die sich in einer säkularen Gesellschaft nicht mehr als konsensfähig erweisen. Es bleibt jedoch jedem unbenommen seine eigene Position auf theologische Motive (Schöpfung) zurückzuführen, nur ist damit der argumentative Weg durch
den vorgegebenen metaphysischen Bezugsrahmen verkürzt. Im Folgenden werde ich die bisher in der Diskussion angeführten Argumente kurz skizzieren.


Der Physiozentrismus geht auf Aristoteles zurück und begründet sich in der inneren Zweckgerichtetheit natürlicher Prozesse (Teleologie, griechisch: Telos = Ziel, Zweck). Nach Aristoteles reicht zur Beschreibung natürlicher Prozesse die Angabe deren Wirkursache (causa materialis) nicht aus, sondern benötigt die Hinzunahme von Zielzuständen beziehungsweise Endursachen (causa finalis). Beispielsweise ist die Bewegung der Zugvö-
gel nur durch das Ziel zu erklären. Die Zielgerichtetheit die hier unterstellt wird, ist bei menschlichen Handlungen nachzuvollziehen. Ein Mensch kann auf die Frage, warum er so gehandelt hat, sein angestrebtes Ziel angeben. Und das reicht als Erklärung aus. Bei physikalischen Prozessen beziehungsweise natürlichen Vorgängen kann man aber m.E. nur eine Erklärung durch die Angabe der Ursachen erreichen. Bei Tieren können wir wiederum mit teleologischen Motiven sinnvoll vorgehen: Der Hund frisst, da er Hunger hat. Der moderne physiozentrische Ansatz unterteilt sich
in drei Varianten, die sich über die Ausdehnung der Adressaten moralischer Werte differenzieren:
Pathozentrismus (griechisch: pathos = Leid); hiernach sind alle leidfähigen Wesen Träger eigenständiger moralischer Werte (Menschen, höher entwickelte Tiere)
Biozentrismus (griechisch: bios = Leben); hiernach sind alle Lebewesen Träger eigenständiger moralischer Werte (Menschen, Tiere, Pflanzen)
Physiozentrismus jedes Ding in der Welt ist Träger eigenständiger moralischer Werte (Menschen, Tiere, Pflanzen, Ökosysteme, Landschaften, Materie)
Allen Varianten gemeinsam sind eine mögliche Wertzuschreibung des Außermenschlichen. Und diese Wertzuschreibung wird abgeleitet aus dem Bestreben allem zur Selbsterhaltung. Der Mensch hat der Natur gegenüber Pflichten um ihrer selbst willen. Wobei dies nicht unweigerlich zu einem Egalitarismus führen muss, eine Abstufung moralischer Signifikanzen bleibt davon unberührt.
Obgleich es wohl die Position gibt, die „Natur-an-sich“ dem menschlichen Zugriff zu entziehen, sie gleichsam zu tabuisieren.
Zur Verdeutlichung der Positionen dient die jeweilige Zuordnung bekannter Begriffe. Dem Pathozentrismus entspricht der Tierschutz, dem Biozentrismus der Naturschutz und der radikale Physiozentrismus der Umweltschutz, dies aber nur verstanden als formale Zuordnung und nicht als inhaltliche Füllung beziehungsweise Abgrenzung. Wobei es ein interessantes Phänomen darstellt, dass der Umweltschutz in der Debatte ausschließlich unter Bezugnahme auf die menschlichen Bedürfnisse stattfindet.

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